Die erste Version von "Fritz" wurde 1991 entwickelt. Anders als beim Superrechner "Deep Blue" von IBM entschied man sich, nicht auf schiere Rechnerpower zu setzen. Gegen die "Brute Force"-Methode, die den grten Teil ihrer Rechenleistung vergeudet, um sinnlose Varianten durchzurechnen, setzt Fritz eine andere Strategie: Er rechnet nur noch jene Varianten durch, die ihm erfolgversprechend scheinen.
SPIEGEL ONLINE 35/1997 - Vervielfltigung nur mit Genehmigung des SPIEGEL-Verlags
Donnerstag, 28.08.1997 00:00 Uhr
"Eine schnell gespielte Partie im Kaffeehaus" soll die Plauderei suggerieren, so Deutschmann, "mit lssig hingeworfenen Kommentaren". Der Kabarettist kennt sich aus: Er spielte früher Schach in der Bundesliga. In seinen aktiven Zeiten unterstützte auch er sein Know-how mit Software aus Hamburg. Fast alle Schachprofis benutzen die Datenbank "Chessbase". Und für viele, wie Weltmeister Garri Kasparow, ist "Fritz" Trainingspartner.
Schachprogramme "Vorsicht, Brettkante!"
Computerschach mit menschlichem Timbre: Der Kabarettist Matthias Deutschmann leiht einem erfolgreichen Schachprogramm seine Stimme. Es stellt sich heraus, da "Fritz 5" ein cleverer, wenn auch ziemlich znkischer Gesell ist.
Der steigende Bedienungskomfort hat Schachprogramme für breitere Kuferschichten interessant gemacht. Vor einigen Jahren dominierten noch Computer mit integriertem Schachbrett den Markt. Heute entscheiden sich die Kufer hufiger für Software, die auf PCs luft. Nur zu Weihnachten, so der Verkufer eines Gromarktes, werden noch die zwischen 300 und 1000 Mark teuren Bretter der Marke "Mephisto" nachgefragt. Immer mehr frühere Computergegner entdecken pltzlich Qualitten an den grauen Kisten. Typischerweise sind es Mnner, die daheim Urlaubsbilder oder -Videos bearbeiten wollen. Und wenn der Computer einmal gekauft ist, ist ein Schachprogramm nicht mehr unbezahlbar.
Es war Schwerstarbeit für Matthias Deutschmann: Drei Tage lang sa der Mann mit dem Cello, der sonst auf Deutschlands Kabarettbühnen Gift und Galle verspritzt, vor einem Computer in einem Büro der Hamburger Schach-Softwarefirma Chessbase. Er wlzte Bücher mit "Geflügelten Worten", parodierte klassische Verse aus Goethes "Faust", ersann "russische Sprichwrter". Er zitierte koreanische Weisheiten, brummte, summte, seufzte und schnalzte mit der Zunge. Dazwischen gab er in loser Folge frhliche Kalauer, kabarettistische Seitenhiebe und just erfundene Bonmots zum Besten.
Das Ergebnis sind 879 Sprüche: das Vokabular von "Fritz 5". Das derzeit erfolgreichste Schachprogramm auf dem Markt hat in der neuesten Version einen Sprach-Modus. Wer mindestens über einen 486er PC und eine Soundkarte verfügt, darf den frechen Witzbold herausfordern. Am Anfang begrüt "Fritz" seinen Gegner noch hflich: "Es ist mir immer eine Ehre" und verkündet: "Ich wünsche mir von dir eine Partie mit eigenen Ideen!". Je weiter aber das Spiel fortschreitet und je heftiger es auf dem Brett zugeht, um so ruppiger wird er: "Ratzfatz-weg!" - "Mit dem Beil in meiner Hand komme ich durchs ganze Land" - "Vorsicht, Brettkante!" - "Einen Kaffee würd ich annehmen!", tnt es dann vorlaut aus dem Computer. Auch im Mierfolg zeigt "Fritz" seinen ganz besonderen Charme: "Gegen diesen Patzer mu ich verlieren!" Ein Zufallsgenerator whlt passend zur Spielsituation Sprüche aus dem Repertoire aus.
Mit dieser Taktik siegte "Fritz 3" auf der letzten Computerschach-WM 1995 auf einem normalen PC gegen die hochgezüchteten Forschungsrechner "Star Socrates" und "Deep Blue". Seitdem hat die Konkurrenz nachgelegt, so da fraglich ist, ob "Fritz" seinen Titel im nchsten Jahr noch verteidigen kann. Das ist aber unerheblich, denn "Fritz" spielt bei voller Rechenstrke besser als die meisten von ihnen. Bei Blitzpartien ist er kaum zu schlagen.
